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Germania Monsoon

Das drückt auf’s Budget, das Scheißwetter. Draußen Radfahren bei Nieseln und Regen, das geht ja noch. Wenn einem kalt wird, tritt man fester in die Pedale. Für die Leistung ein Segen.
Aber sich draußen aufzuhalten, wenn es tagelang grau ist, das geht nicht. Gemütliche Orte ohne Konsumzwang, die sind außerhalb des privat Abgeschotteten nicht zu finden. Wir geben bei jedem Aufwärmen, bei jedem drinnen Aufenthalten – Abgesehen vom abendlichen in-den-Schlafsack-Kriechen und vom Couchsurfing – Geld aus.
Auf öffentliche Bibliotheken, Bahnhofshallen oder Kaufhäuser auszuweichen, wo es warm und trocken ist, aber kein Konsumzwang herrscht, dazu sind wir nicht fähig. Wenn man schon draußen schläft, im Zugwind, unter einer einer hüfthohen kondenswasser-feuchten Plane, und schon seit Wochen auf den Luxus der eigenen festen Behausung verzichtet, soll es wenigstens beim Essen gemütlich sein.
Die westliche Zivilisation ist schon seltsam. Das Dach über’m Kopf bietet Schutz vor der fiesen Umwelt, kostet aber selbst arme Studenten noch mindestens 10 Euro am Tag. Jeden Tag zehn Euro allein für das Recht auf die vier Wände – Manche geben fürs Essen weniger aus.
Unser Reise-Konzept zeigt Schwächen, es war nicht auf tagelangen Regen ausgelegt. Die Natur hebelt unseren Minimalismus aus. Der Gaskocher bleibt kalt. Wir müssen es um die Inanspruchnahme kommerzieller Gastronomie erweitern.
Couchsurfing funktioniert hervorragend. Offene, großzügige Menschen öffnen die Pforten ihrer Behausung und bieten Reisenden wie uns Obhut. Aber eine exakte Planung der Tagesetappe ist nicht möglich, wenn man die Strecke nicht kennt, wenn man nicht weiß, welche Pannen und Wetterkapriolen uns an diesem Tag überraschen werden. Oft fühlen wir uns abends noch fit und fahren weiter als gedacht. Oft liegen die Häuser der couchsurfing-Gastgeber im Tal, wenn wir auf einem Höhenweg sind, oder sie sind zu weit weg von der Strecke.
Die Autonomie der mobilen Behausung gewinnt. Egal wo, eine Plane ist schnell aufgespannt. Sie ist unschlagbar leicht, aber eine Plane ohne Zeltboden gibt die Nässe der Wiese direkt an den Schlafsack weiter. Trotz Isomatte. Scheint tagsüber nicht die Sonne, kann man den Schlafsack nicht trocknen, und abends kriecht man wieder in den feuchten Schlafsack. Zwei bis drei Nächte lassen sich bei milden Temperaturen und bei Windstille so aushalten, dann wird es kritisch.
Kritisch in doppelter Hinsicht: An das Empfinden von kalten Füßen gewöhnt man sich, wenn man den ganzen Tag mit nassen Schuhen fährt. Aber der ehrlichste aller Sinne, der Geruchssinn, will sich nicht daran gewöhnen: An modernde Socken, an modernde Rucksackpolster und an modernde Trikots. Dieser Gestank ist neu. Das hat nichts mehr mit Schweiß zu tun, nichts mehr mit der Sonnencreme von Vorgestern, nichts mehr mit vaselinegetränkten Radhosen-Polstern – Das ist eine
Liga höher.
Flüsse, Bäche und Seen verlieren ihre Anziehungskraft, an feuchten Abenden vor absehbar kühlen Nächten. Auch im Tau auf der Wiese suhlen wir uns nicht mehr. Im Regen zu tanzen würde sich anbieten, aber mit Brennesseln und Disteln im Fuß versaut man sich den Stil.
Wir gehen dazu über, Socken, Rad-Handschuhe und uns selbst auf den beheizten Toiletten von Cafés, Restaurants und Imbissen zu waschen.
Am besten eignen sich dafür Asia-Imbisse. Die bieten Essen mit frischem Gemüse zu geringen Preisen, schenken Tee in großen Kannen aus und sind am schlechtesten besucht – Die Regenzeit übersteht man am besten bei Tschi-Gong, Thai-Fung und Sou-Hu, da stört einen niemand am Waschbecken.

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